Jeong Kwan: Südkoreanisches Templefood
Netflix habe ich vor einem Jahr nur deshalb zur Probe abonniert, weil ich die Dokumentationen der Farm-to-table-Köche (z.B. Dan Barber) in der Serie Chef’s Table ansehen wollte. Es wurde zu einem binge-watching (Wkipedia übersetzt das mit Komaglotzen) fast aller Episoden mit dem Ergebnis, dass ich keine Pinzetten mehr sehen kann, die irgendwelche Miniaturlebensmittel auf Teller drapieren zu einem kulinarischen Gesamtkunstwerk, das dann auf rauchenden Tellern zum Gast schwebt. Auch wenn mein Designerauge das umwerfend schön findet, ist es so weit weg von echter Küchenrealität.
Die Serie enthält natürlich viele kulinarische Perlen und wenn man sie langsam „isst“, gibts auch keinen Überdruss.
Gelohnt hat sich der Doku-Marathon aber vor allem wegen des Films über das Templefood der koreanischen Nonne Jeong Kwan, der die dritte Staffel eröffnet. Hier wird Kochen als Meditation zelebriert, es geht um Achtsamkeit, Nachhaltigkeit, Sorgfalt im Umgang mit Nahrung, Traditionen und die völlige Abstinenz von Ego, also ziemlich das Gegenteil der heutigen Realität in der Gastronomie.
Der Film ist auch eine Doku über achtsames Leben und eine schöne Inspiration für die buddhistische Lebensweise. (Alleine für diesen Film lohnt sich die Anmeldung für den Gratismonat bei Netflix).
Jeong Kwan bei der Arbeit zuzuschauen, allein das ist ein kulinarischer Genuss. Sie bezeichnet sich selber nicht als Köchin, sondern als Nonne. Dass sowohl Sterneköche als auch Hobbyköche aus aller Welt zu ihr pilgern um von ihr zu lernen, verwundert sie wohl selber am meisten. Sie nimmt aber die Gelegenheit gerne wahr, für ehrliches Essen ohne Knoblauch, Zwiebeln und Tierprodukte zu werben. Und noch mehr für die Zeit, die Lebensmittel und Speisen benötigen, um ihr volles Potenzial zu entwickeln. Klar geht es aufgrund ihrer Kultur um Kimchi und Sojasaucen, aber das Prinzip läßt sich auch auf unsere Traditionen übertragen. Anfangen könnte man mit der Reifezeit von Brotteig, der früher eben tagelang ruhen durfte und heute innerhalb einer Stunde in den Ofen geschoben wird.
Jeong Kwan hat keine Kochlehre absolviert, doch jeder Handgriff wirkt wie eine Zen-Übung, ihre Kompositionen wie erlesene Kunst. Beim Zuschauen möchte man am liebsten alles nachkochen, was aufgrund fehlender Kenntnisse und Verfügbarkeit der Zutaten nicht so leicht geht. Doch ein paar der Gerichte klappen bei uns, das berühmteste sind ihre glasierten Shitakepilze, die sie auch bei Kochtagen in ihrem Kloster den Besuchern vorkocht.
Ich habe aufgrund der Bilder im Film versucht, das Gericht einfach nachzukochen, aber irgendwas war noch nicht rund. Eine längere Recherche bei Chefkoch google hat dann verschiedene Rezepte hervorgebracht und einen Link zur Buchung des Klosteraufenthaltes ;-). Mit Hilfe kleiner youtube Ausschnitte von Teilnehmern ihrer Kurse ließ sich das Rezept dann irgendwie nachvollziehen.
Wann immer ich frische, heimische Shitakepilze bekomme (sie werden in Deutschland angebaut), dürfen die Teilnehmer unserer Retreats dieses Gericht geniessen. Es wird eher langsam auf kleinerer Flamme gekocht und ist unglaublich lecker. Hier gehts zum Rezept.