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Die Hausgrille und mein Senf dazu

Insektenprotein aus Grillen

Große Diskussionen. Seit Januar 23 dürfen lt. EU-Verordnung Hausgrillen in verschiedenen Formen angeboten und industriell verarbeiteten Lebensmitteln zugefügt werden. Klingt nicht lecker, aber das ist ja sehr subjektiv. Die Ankündigung hat mich an frühere Reisen nach HongKong und China erinnert. Da wurden alle Arten von Insekten und anderes Getier in antiken Apotheken zur Schau gestellt. Und auch zum Essen mit den Businesspartnern gab es Tierteile auf dem Teller, die mir nicht geheuer waren. Für die Chinesen war das ganz normales Essen.

Die letzte Bekanntschaft mit essbaren Insekten habe ich vor 2 Jahren in einem Ökotextil Shop gemacht. Testweise gab es frittierte Heuschrecken und natürlich musste ich das probieren! Geschmacklich war das okayisch, es erinnerte mich an knusprige Toppings. Verspürte aber keinen Drang, das nochmal zu wiederholen.


Zeitgeistessen

Als nun das Hausgrillenthema aufpoppte, war ich erstmal nicht sooo überrascht, zumal es schon seit ein paar Jahren als Zeitgeistthema (Fleischersatz) durch die Medien rauscht. Anderes Getier wie Mehlwürmer und Wanderheuschrecken sind schon eine Weile zugelassen und ich erinnere mich nicht (mehr?) an eine größere Protestwelle dagegen. Aber: ich werde bei meiner Ernährungsweise weder von Würmern noch Grillen oder Heuschrecken überlaufen. Denn diese Zutaten finden sich vor allem in Fertigprodukten und Convenient Food, davon hab ich fast nichts im Küchenschrank. Wenn ich auf die Zutatenliste von hoch verarbeiteten “Lebensmitteln” mit Hausgrillenzusatz schaue, hätte ich vermutlich mehr Bedenken bei anderen Bestandteilen als den insektischen. Doch ein Meckern dagegen vernehme ich nicht, den Verbraucher scheinen E-Nummern und synthetische Zutaten, Aromen und Farbstoffe, übermäßig Zucker, Lecithine, Stabilisatoren, Konservierungsstoffe weniger zu stören, obwohl deren Gesundheitsgefahren durchaus bekannt sind.
Da ich bekanntlich sehr gesund sehr alt werden möchte, kommen industriell verarbeitete Lebensmittel mit übermäßig Zusatzstoffen nur selten in meinen Bauch. Somit krieg ich auch kein Hausgrillenpulver oder Mehlwürmerproteine ab.
Habe das übrigens auch in den vielen asiatischen Ländern, in denen ich schon gelebt habe oder herumgereist bin, selten gesehen. Auch wenn derzeit behauptet wird, dass Insekten dort eine Art Grundnahrung wären.

Problemfeld: Zucht und Verarbeitung

Ich hab mir mal den Herstellungsprozess dieses sog. Novel foods angesehen. Und tatsächlich komme ich da schnell an 4 meiner persönlichen roten Linien.

Es fängt damit an, dass die Insekten ja nicht in der Natur gesammelt, sondern in riesigen Insektenfarmen gezüchtet werden. Wie die dort leben und ernährt werden, welche Hygienekonzepte es da gibt, falls es welche gibt, mag ich mir nicht vorstellen in Anbetracht der üblichen Massentierhaltung in unserer Landwirtschaft.

Der zweite fragliche Punkt betrifft die Verarbeitung. Die Insekten werden frittiert, gebraten oder heiß abgebrüht zur Keimabtötung, getrocknet, tiefgefroren und/oder zu Pulvern verarbeitet. Wie bei allen erstmal nährstoff- und proteinreichen Nahrungsmitteln scheinen mir die durchaus vorhandenen Vorteile bzw. Prana (Lebensenergie) am Ende des Prozesses doch eher stark reduziert zu sein. Was bringt es mir dann wirklich? Es erinnert an den Hype mit Beyond Burgern. Die schmecken extrem gut, wie Fleisch eben, aber das ursprüngliche Erbsenprotein wurde so stark verändert, dass der Burgerpattie eigentlich keine Nährstoffe mehr hat. Ich bezweifle also stark, dass diese Insekten als das Superfood, als das sie gerade angepriesen werden, taugen. Zumal ich auch davon ausgehe, dass da keineswegs hochwertige, extra vergin cold pressed Öle zum Braten und Frittieren verwendet werden.

Der dritte Komplex betrifft Gesundheitsrisiken wie Verträglichkeit, Allergene, Toxikologie, Pilzbefall, Umweltschadstoffe, Kreuzreaktionen, Kombinationsrisiken etc.. Hier bestehen noch große Unsicherheiten mangels Erfahrung. Es gibt durchaus warnende Stimmen zum Thema. Mir scheint, man lässt das jetzt halt mal so laufen und wenn Probleme entstehen, kann man immer noch reagieren. Verbraucherschutz, liebe EU?

Und die letzte Hürde: der Vertrieb der Hausgrillen wurde an eine (einzige?) vietnamesische Firma übertragen, die auch die Zulassung beantragt hat. Das ist mir suspekt, da es keine Konkurrenz gibt und wie mir scheint auch wenig Kontrolle. Der EU Bürokratie vertraue ich aus Erfahrungen der Vergangenheit nun ganz und garnicht.


Was also tun?

Wer überzeugt ist oder einfach Lust drauf hat und Insekten probieren möchte, der sollte das tun. Wer sein Essen lieber insektenfrei genießen möchte, hat mehrere Möglichkeiten:

Die sinnvollste: auf convenient food verzichten und die meisten Mahlzeiten selber zubereiten. Die Zeit, die man dafür investieren muss, wird vermutlich an gesunden Lebensjahren angehängt und dafür lohnt es sich so sehr, alle Produkte zu vermeiden, die nicht traditionelle oder industriell verarbeitete Inhaltsstoffe aufweisen.

Die bequemste: aufmerksam die Etiketten lesen. Das Zauberwort der Hausgrille heißt übrigens Acheta Domesticus. Denn wir werden immer Produkte kaufen, in denen Insekten beinhaltet sein könnten. Das sind vor allem Kekse, Backwaren oder Suppenpulver (Liste unten). Oder man weicht in diesem Bereich auf vegane Alternativen aus.
Ich gehe davon aus, dass es sehr viele Anbieter (z.B. Bäcker) geben wird, die darauf hinweisen, dass sie OHNE die Zugabe von Insekten auskommen. Auf der anderen Seite wird es viele Anbieter geben, die damit werben, dass sie das proteinreiche Superfood integrieren. Somit kann man sich als Verbraucher gut informiert entscheiden und der Markt wird sich über Angebot und Nachfrage regeln.


Wo könnten Hausgrillen drin sein?

Derzeit können die neu zugelassenen Insekten in folgenden Produkten beigefügt werden:

  • Mehrkornbrot, -brötchen
  • Cracker, Brotstangen, Snacks (außer Chips)
  • Getreideriegel, Kekse
  • Trockene Vormischungen für Backwaren
  • trockene, gefüllte und ungefüllte Teigwarenerzeugnisse
  • verarbeitete Kartoffelerzeugnisse
  • Gerichte auf Basis von Hülsenfrüchten und Gemüse
  • Pizza
  • Allgemeine Erzeugnisse aus Teigwaren und Molkenpulver
  • Suppen und Suppenkonzentrate, Suppenpulver, Soßen
  • Snacks auf Maismehlbasis
  • Schokoladenerzeugnisse, Nüsse und Ölsaaten
  • Fleischzubereitungen und vegetarische Fleischalternativen
  • Bierähnliche Getränken


Buchtipp

Ernährungsregeln Michael Pollan

An dieser Stelle muss ich mal wieder für eines meiner Lieblingsbücher werben. Sehr lustig zu lesen. Ziemlich ayurvedisch, auch wenn das Wort nicht vorkommt in dem Buch. Michael Pollan erklärt das mit den industriellen Nahrungsmitteln und Zusatzstoffen so gut, dass man sofort inspiriert wird, auf dem Wochenmarkt frischeste Ware zu kaufen :-). Auf Insekten geht er nicht ein, das Büchlein ist schon ein bisschen älter. Aber das Prinzip ist identisch.

Beim Thema Insekten essen bleibe ich eher old school ayurvedisch und vermeide erst mal Exotisches und Dinge, die in unserer Kultur, Region und Tradition nicht beheimatet sind. Es gibt da außerdem noch ein paar Fragen, über die ich forschen möchte.

Insektenproteine homemade

Wer voll drauf steht auf diese neue Nahrung, der kann sich Käfer und Mehlwürmer als Fleischersatz zuhause selber züchten. Hier ein Video dazu. Guten Appetit :-).

Image by Primal Future from Pixabay

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Joy

    … Dann hätte ich doch lieber ehrlichen Senf als Hausgrille – Vielen Dank für diesen sehr informativen und fairen Blog zum Thema. Wir kommen beim Thema Essen oft so schnell auf die dogmatische Schiene, dass ich die Informationen im Blog als ein großes sehr bewusstes Atemholen erlebe. Und die Power spüre, die in der eigenen Wahlmöglichkeit liegt. Erstaunlich ist die doch recht umfangreiche Liste der möglichen Hausgrillen-Convenience-Food-Produkte. Da lohnt es sich, bei den Inhaltsstoffen genau hinzuschauen, auch wenn sogenanntes Bio drin sein sollte , und vor allem so viele Mahlzeiten wie möglich selbst frisch zuzubereiten.

  2. Damara Berger

    Liebe Daniela,

    danke für diesen Beitrag. Ich hatte erst neulich mit einem befreundeten „Ernährungscoach“ eine Diskussion und wir kamen beide zu dem Ergebnis wie wesentlich- neben hauptsächlich selber kochen eben auch Bio-Qualität, sowie die Diversität ( also mehr als 5 Gemüsesorten das ganze Jahr hindurch…und Nudeln.;) – nach wie vor Regionalität und weitgehend saisonale Nahrungsmittel sind – leider werden anhand der auselaugten Böden, der verwendeten Chemie ( schon auf den Feldern) die Nährstoffe schon hier, primär aber halt leider nicht nur, in konventioneller Landwirtschaft, extrem vermindert.

    Ich habe vor ca. 30 Jahren in Zimbabwe zum 1. und meines Wissens auch zum letzten Mal einen fetten Mehlwurm ( wie es gensu hiess weiss ich nicht mehr – diese Würmer wurden auf jeden Fall aus Baumstämmen ‚geerntet‘ – wurde uns zumindest erzählt), probiert – mich persönlich ekrlt es eher, als das ich es toll fände…
    Ich bin auch sehr dankbar dass ich fast täglich, mit so gut mir das möglich ist, hochwertigen Lebensmitteln selber koche.

    Ich hab dieses Jahr Grünkohl im Balkonbeet und diese Pflanze ist für mich die absolute Heldin ( alleine schon wie schön sie ist – egal ob es gefriert oder eben nicht – all diese Temperaturunterschiede können ihr nichts anhaben;) und geschmacklich, fabelhaft.

    Übrigens gibt es – schon seit Februar – Bärlauch im Wald und einige Wildkräuter – es werden um diese Jahreszeit täglich mehr – sind schon bereit, gepflückt zu werden…. das geniale für mich – beim in den Wald gehen nähre ich auch gleich alle Ebenen meines Seins und gleichzeitig bin ich mit und im Austauch mit der Natur – diese will und muss meines Erschtens auch großzügig durch unsere Bewunderung und
    Dankbarkeit, geehrt, wertgeschätzt und respektiert, sein!

    Also ich gehe auch davon aus, dass zu meiner Lebenszeit, ich weiterhin ohne viel E -Nr und Cricketpulcer etc. auskommen werde….

    Wir hören voneinander – bis dahin, liebe Daniela – noch eine gute Zeit.

    Alles Liebe
    Damara