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Wenn “health food” ungesund wird…

buffet salat

Eine kulinarische Entdeckungsreise

Meine Winterreise stand unter dem Motto, verschiedene Küchen in Retreatzentren in Indien und Bali kennenzulernen für neue Rezept-Ideen und Inspirationen. Die Erwartungen waren etwas im oberen Bereich angesiedelt, wurde mir der Mund oft genug wässrig gemacht über das tolle Essen auf Bali, die Health Food Szene, die balinesische Küche usw…

Was soll ich sagen? Es gab viel Licht und viel Schatten. Zum einen ist die balinesiche Küche sehr angepasst an den Geschmack der Touristen. Echte und ursprüngliche Baligerichte habe ich nur an wenigen Plätzen erlebt, es war jedes Mal so gut, dass ich mir irgendwann einen Kochkurs gegönnt habe um, die Geheimnisse des balinesischen Würzens herauszufinden. Und jetzt nicht so genau weiß, mit was ich die Shrimpspaste im Rezept zuhause ersetzen kann ;-).

Die Auswahl an vegetarischen Gerichten ist nicht besonders groß und dreht sich um die immergleichen zwei Reisgrichte (Nasigoreng, Nasicampur) mit Gemüse, Tofu und Tempeh, ein Nudelgericht (Miegoreng), ein vegetarisches Curry und ein lauwarmer Gemüsesalat mit Tofu/Tempeh sowie einer Erdnusssauce (Gado-Gado). In der ersten Woche war ich deutlich im Soja- und Erdnuss-Überschuß, beide Lebensmittel sind ayurvedisch gesehen nicht der Hit, da sie zu stark erhitzen, schwer verdaulich sind und es in Bali sowieso kein genfreies Soja gibt. Wenn man also beides weglassen will, wird es etwas eng mit der Auswahl. Noch enger wird es, wenn man auf Glutamat und Zucker verzichten möchte, denn das ist in sehr vielen Würzsaucen der indonesischen Küche enthalten. Ich fürchte, ich hab etwas mehr MSG abgekriegt als mir lieb ist. Heimweh nach der indischen Küche kam bald…

Das mögen vermutlich die Gründe sein, warum sich in Bali eine Szene etabliert hat, die gesunde Ernährung für die überwiegend junge Zielgruppe der Yogis und Surfer anbietet. Ähnliche Restaurants und Cafes findet man übrigens auch in Ibiza, Berlin, München, Nottinghill, San Francisco, Sydney und anderswo auf der Welt (mit denselben Menschen in derselben Kleidung kommt einem vor 😉 ).

Alles gut also? Nein, leider nicht. Denn hier wird alles zusammengewürfelt und vermarket, was irgendwie angesagt ist. Vegan, raw, aktiviert, green, clean, detox und was nicht alles.

permakultur bali moksaDie gute Seite: Selten habe ich so viele Permaculture Gemüse- und Obstgärten gesehen wie in Bali. Garden-to-table ist die Philosophie hinter dem besten Essen, das ich hier geniessen durfte, dabei waren 2 Plätze absolute Spitzenklasse: das Moksa in Ubud und das Bali Silent Retreat im Bergland der Insel.  Daneben gibt es Restaurants, die sich auf EIN Thema konzentrieren, z.B. raw oder vegan, da gibt es ein Konzept und alles ist sehr professionell, schmeckt meistens super und ist sinnvoll kombiniert. Großes Foodkino. Es sind die Ausnahmen.

In anderen “Cafes” gibt es dann eher mal diese Speisenfolge: man beginnt mit einen sog. Detox Smoothie, was eine zuckersüße Vorspeise aber kein Getränk ist, wie manche vermuten. Über die fiktionalen Gesundheitsversprechen auf den Menükarten, was ein Smoothie so alles kann, schweige ich lieber :-)).  Weiter geht es mit frittierten Käsebällchen oder Maislaibchen (corn fritters), frittiertes ist auf allen Karten in großer Auswahl zu finden. Die Hauptspeise könnte ein Sauerteigbrot mit Bacon, Avocado und Salat, oder ein veganer Burger (Weißbrot mit ein bisschen extra Gluten durch den Seitan-Fleischersatz) mit Pommes sein. Darauf gibt man sich zum entgiften einen Kohle- oder Weizengrass-Shot, den braucht man dann auch. Das ganze wird abgerundet mit einem raw-veganen Cashewcheesecake oder Chocolate Superfood Dream mit Unmengen von Agavensirup. Halleluja…

Viele dieser einzelnen Speisen mögen Sinn machen und werden mit großer Sorgfalt zubereitet, doch die unbedachte Kombination oder das Übergewicht einer Lebensmittelgruppe (z.B. Nüssen) in einer Mahlzeit dreht die ganze Idee von gesundem Essen ins Gegenteil. Denn man muss sich nicht der Illusion hingeben, dass der Bacon auf einem glutenfreien Brot gesünder wird oder mit einem Gewürz-Getränk neutralisiert werden könnte. Genauso wenig wie das Ei von einem garnicht glücklichen Huhn (die Hühnerfarmen sind mindestens so grausig wie bei uns und Freiland ist nicht), gemischt mit GMO-Tofu (eh eine seltsame Kombi) etwas ist, was unsere Zellen und unseren Geist frisch hält. Und die eisgekühlte Smoothie-Bowl liegt beim morgenmüden Verdauungsfeuer sehr schwer im Magen.

Nebeneffekt dieser Ernährung ist übrigens, dass sehr viel eingeflogen werden muss, denn die reichhaltige tropische Natur liefert der balinesischen Küche zwar eine große Vielfalt an Gemüsen, Obst und grünem Superfood, aber eben kein Maca- oder Acaipulver, keine Mandeln, kein Chia, kein Olivenöl, keinen Ziegenkäse und auch kein Obst und Gemüse außerhalb der Saison. Das braucht es aber scheinbar, denn die Speisen sind identisch mit denen in angesagten Cafes/Restaurants auf der ganzen Welt. Trotzdem fühlen sich hier alle sehr eco friendly, hmmm.

Essen ist urspünglich ein Mittel zur Nährung von Körper und Geist, man verggisst es fast, wenn man sich in der Szene aufhält. Doch hier wie auch bei uns ist es ein bisschen zum hedonistschen Vergnügen verkommen. Wichtig ist, dass es super bunt ist (zum fotografieren für FB), dass es mega “gorgeous”, also super lecker schmeckt (was die Köche mit einem Übermaß an Gewürzen, Salz und Zucker hinkriegen, denn dem Gast soll es schmecken bis zur Ohnmacht wegen des tripadvisor ratings), und in hippem Ambiente zelebriert wird (in die Küchen und den Umgang mit Küchenpersonal sieht man ja nicht).

Man kann niemandem einen Vorwurf machen, weil das Wissen um die Zusammenhänge des Essens, der Verdauung und der daraus resultierenden Lebensenergie mehr und mehr verloren geht. Doch es ist sehr eindeutig, dass hier trotz bester Absichten etwas gewaltig falsch läuft.

Und dann gäbe es da noch ein paar Fragen, die man sich stellen MUSS, wenn man in health food die Zukunft sieht, z.B.

  • was bewirkt meine Ernährung für die Menschen, die involviert sind (Bauern, Händler, Köche), Stichwort fair trade, Regionalität?
  • was bedeutet meine Ernährung für andere Lebewesen (Milch von gequälten Kühen, Eier von Käfighühnern) und wie kann man würdevolle Tierhaltung fördern (Beispiel Demeter)?
  • was bedeutet es für den Planeten, wenn wir Nahrungsmittel mit Giften besprühen, über den Globus schicken oder für unser Convenient Food ganze Ecosysteme zerstören (Soja, Palmöl)?
  • was macht diese Ernährung mit meiner Seele, wenn ich die Konsequenzen komplett ausblende?

Gesunde Ernährung ist mit diesen Fragen so eng verstrickt, dass die Beschäftigung damit einen großen Beitrag zur Integrität des Themas leisten kann, was vielen Restaurants (noch) nicht gelingt.

Wie man sich in diesem widersprüchlichen Dschungel zurecht findet und das für einen selber stimmige Essen zusammenstellt, darüber rede ich oft und gerne und packe einige leckere Rezepte dazu :-). Die Kontrolle über seine gesunde Ernährung hält man zum Glück in den eigenen Händen, bzw. manifestiert sie in der eigenen Küche.

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Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Beate

    Liebe Daniela,
    ein überaus spannender, wie informativer Beitrag .Überrascht bin ich nicht…so ist es halt, wenn es den Touristen schmecken soll. Da bleibt die Authentizität schon mal auf der Strecke. Letzendlich darf jeder herausfinden was ihm gut tut. Und wenn ich es dann trotzdem esse, obwohl es mir nicht bekommt, weils halt so gut schmeckt, darf ich auch die Konsequenzen tragen.:) Alles Liebe, Beate

    1. danielawolff

      Liebe Beate, du hast völlig recht. Was mich etwas schmerzt ist der Etikettenschwindel der Restaurants, die mal schnell ein normales Bacon Sandwich als PowerLunch anbieten oder einen Smoothie mit 2 EL weißem Zucker drin als Detox Booster usw. … Da ist so viel fake, (aber das ist ja auch gerade angesagt 😉 ).

  2. Brigitte Weiss

    Für mich ist die Essenz aus deinem Bericht Daniela, dass man seine Reisen so plant, dass man überwiegend die Möglichkeit hat selbst zu kochen. Dabei lässt man sich von der jeweiligen Kultur und traditionellen Küche inspirieren, kauft frische Lebensmittel, Gemüse und Früchte die das jeweilige Land bietet, und lässt seiner Leidenschaft freien Lauf. Dann sind auch mal “Ausrutscher” ausser Haus ganz gut zu verkraften;-)
    Herzliche Grüße, Brigitte

    1. danielawolff

      Liebe Brigitte, ich habe tatsächlich sehr viel gekocht in den letzten Wochen, da man hier so wunderbare offene Küchen in den Häusern hat.
      Ansonsten hat es sich bewährt, dort essen zu gehen, wo das Konzept stringent ist, also entweder vegetarisch/vegan oder raw oder italienisch oder rein balinesisch. Sobald aber im “health food cafe” die Spagetti Bolognese neben dem vegetarischen Nasi Goreng steht und das Lachssandwich neben dem veganen Dessert, wirds abenteuerlich :-)). Gefühlte 80% geht in diese Richtung, drum hat es mich zum schreiben veranlasst.