Auf einer Reise gibt es in der Regel diese magischen Momente, an die man sich besonders lange erinnert. Man ertappt sich dabei, dass man nach diesen Erlebnissen jagt und dann bleiben sie oft aus. Und wenn man gar nicht mit etwas Besonderem rechnet, können diese Lichtmomente wie aus dem Nichts entstehen.
Mir erging es kürzlich so im April in Portugal. Ich war mit dem Campervan unterwegs und fuhr ins Landesinnere nach Sao Marthinho das Amareis im südlichen Alentejo. Der verschlafene Ort wird einmal im Monat quirlig, wenn so eine Art Hippiemarkt stattfindet, bei dem viele der alternativ lebenden Expats, die sich hier in den letzten Jahren in der eher dünn besiedelten Region niedergelassen haben, ihre Waren verkaufen.
Ich war nicht am Markttag dort, sondern mitten in der Woche. Es gibt die lockere Community Monte Maravilhas etwas außerhalb des Dorfes, auf deren Gelände man mit dem Van stehen kann. Wunderschön gelegen. Auf dem Weg dorthin wurde es immer kälter, stürmischer, grauer und nasser, der ganze April war geprägt von diesem nasskalten Wetter dieses Jahr. Ich hatte das schon 3 Wochen hinter mir und war ein bisschen durch damit… Wähhrend ich die Standheizung aufdrehe, dängt sich die leicht verzweifelte Frage auf, warum es mich heute hierher verschlagen hat?
Am nächsten Tag habe ich das erste Sonnenfenster abgewartet, um ins Dorf zu laufen zum einkaufen. Es gibt eine bekannte Holzofenbäckerei mit wohl tollem Sauerteigbrot, das ich unbedingt probieren wollte. Doch als ich ankam, hatte sie kurz davor zugesperrt. Irgendwie schien ich auch hier weit außerhalb des Flows zu navigieren.
Leicht frustriert beschließe ich, wieder an die Küste zu fahren. Auf dem Rückweg durch die engen Gassen des kleinen Dorfes, stehe ich zufällig an einer unscheinbaren Gittertür mit einem kleinen Stoffvorhang, hinter der sich offensichtlich ein Lokal verbirgt. Kein Hinweis, kein Schild, keine Karte. Mitten im nirgendwo. Der Name des kleinen Lokales, Sazanami bedeutet „kleine Welle“ oder besser „ripples“.
Eine Welle von Glück
Der Raum schien maximal 20qm groß, es gibt eine Art Sushibar und außen rum 6 Plätze an der Theke, nochmal 4 in je zwei Nischen. Also winzig. Hinter der Sushitheke ein weiterer Vorhang, hinter dem es noch eine kleine Küche gibt für die warmen Speisen, die eine junge Köchin zubereitet. Vermutlich die meisten bürokratischen Kriterien der regelwütigen EU für Restaurants sind hier außer Kraft gesetzt, aber in dieser Einschicht interessiert das keinen. Es ist wie ein heimeliger Essplatz im Wohnzimmer von Freunden.
Die 4 Gäste im Lokal unterhielten sich miteinander und dem Besitzer über Eck, offensichtlich kannte man sich so gut, wie man es aus Stammlokalen gewohnt ist. Wo der Chef selber kocht und nach der Bestellung alles frisch zubereitet, was eben ein bisschen länger dauert. So kannte ich die Restaurantwelt vor dem Instagram- und Bewertungsportal-Zeitalter, als es noch keinen Druck gab, besonders bunt oder überwürzt zu servieren.
In dieser kleinen Oase gibt es Tagesgerichte und Sushis, bei denen man sich die Zutaten vorher auswählen darf, daran orientiert sich der Preis. An besagtem Tag gab es frische Gyozas (gefüllte und gedämpfte oder gebratene Teigtaschen), eine meiner Lieblingsspeisen. Und was soll ich sagen: sie waren komplett frisch zubereitet und unglaublich köstlich. So geht Soulfood. Alles in mir entspannte sich schlagartig und ich war voll im Bliss. Mit der Mahlzeit, der Atmosphäre, dem zwanglosen Geplauder, dem kleinen Ort.
Während der Wartezeit auf mein Gyozamenü beobachte ich den Inhaber, mit welcher Ruhe und Grazie er seine Sushis zubereitet. Jede Bewegung ein Ritual und die Röllchen sahen traumhaft aus. Also bestellte ich mir eine Rolle zum Mitnehmen fürs Abendessen.
Die Essenz aus dem Erlebten:
An diesem Platz ist das Kochen eine Passion und Berufung, kein Geschäft. Der Kontakt zwischen Koch und Essern ist locker und zugewandt, auch wenn man das erste Mal da ist. Der Magen öffnet bereitwillig alle Pforten für die Verdauung und das einfachste Essen wird zum Festmahl. Ich war rundum gesättigt und überglücklich. Ich blieb weitere 24 Stunden an dem Ort in diesem totalen Blisszustand. Für das Essen, den Tee und Sushi zum Mitnehmen habe ich gerade mal 24 Euro bezahlt.